Der Werbe-Dschungel der WM 2014 – und warum nur die Stars daran verdienen

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Was haben Thomas Müller, Cristiano Ronaldo, Neymar Júnior und auch Wayne Rooney gemeinsam? … Richtig, sie gehören zur Riege der internationalen Fussballstars, welche ihre eigene Marke zur Verfügung stellen, um andere Marken positiv aufzuladen (Co-Branding). Und das passiert sehr oft. Testimonial-Werbung ist generell weit verbreitet in der deutschen Werbelandschaft. In durchschnittlich jeder achten Werbeanzeige findet man einen Prominenten.

Der Effekt durch werbliche Integration von insbesondere Sport-Athleten auf Absatzzahlen wurde in einer Studie der Harvard Business School auf durchschnittlich 4% pro Woche quantifiziert. Das hört sich doch gar nicht mal so schlecht an. Doch lohnt sich die teilweise immens teure Verpflichtung eines Fußballstars immer für die werbende Marke?

Die klare Antwort lautet: Nein. Denn deren Einsatz bringt nicht nur Vorteile. Vor allem während der gerade stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien werden sie offenbar. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und mir einige Kampagnen herausgesucht, welche versuchen mit Fußballstars ihre Marke auf dem Boden der WM aufzuladen. Und ich muss sagen, dass ich über das Ausmaß der Fußballtestimonial-, Marken- und Botschaftvielfalt erstaunt bin. Und das obwohl ich Testimonialvielfalt in der Werbewirkungsforschung gewohnt bin. Teilweise grenzen die WM-Werbungen meines Erachtens jedoch eher an Geldverbrennung als an Genialität.

Anhand der folgenden Beispiele möchte ich versuchen die Grenzen von Testimonialwerbung aufzuzeigen. Ich möchte mit Ihnen drei wertvolle Erkenntnisse teilen, welche auf meiner Berufserfahrung im Bereich der Werbewirkungsforschung fußen.

Erkenntnis 1: Je weniger ein Testimonial wirbt, desto besser (für die korrekte Markenverknüpfung)

Umfangreiche Datenanalysen haben gezeigt, dass erfolgreiche Werbungen die Marke in ihre Geschichten so integrieren, dass sie vom Verbraucher korrekt mit der Werbung verknüpft werden können. Das klingt banal, doch lässt sich als eine Schlüsselherausforderung für positive Werbewirkung postulieren. Was bringt es mir, wenn sich Leute an den Promi aus der Werbung erinnern, doch die Werbung mit der falschen Marke in Verbindung gebracht wird? Tatsächlich scheitert jede zweite Werbung an diesem Brand Link. Und könnte somit das Geld auch sinnvoller anlegen…

Blickt man auf die Spots zu dieser WM, scheint genau diese Verknüpfung mit der Marke bei einigen Spots unglücklich. Doch der Grund scheint relativ plausibel und offenbar: Je mehr Marken ein Testimonial bewirbt, desto höher die Wahrscheinlichkeit der Markenverwechslung aus Verbrauchersicht. Es lassen sich die gleichen Fußballer-Größen wie Ronaldo, Messi, Rooney, Neymar oder auch unsere deutschen Shootingstars Mario Götze und Thomas Müller in mehreren gewaltigen Kampagnen wiederfinden. Mal Hand aufs Herz: wer kann noch ernsthaft auseinanderhalten, wer in den folgenden Spots für welche Marke wirbt?

  • Nike will verdeutlichen, wie die Stars erfolgreich mit dem Druck einer ganzen Nation umgehen – indem sie alles riskieren („Risk Everything”). In einem weiteren Spot zeigen sie auf, wie Leidenschaft und Heldentum einen zum Gewinner macht („Winner Stays“). Letzterer Spot hat bereits beeindruckende 83 Millionen YouTube-Klicks eingefahren und ist somit, zumindest im Netz, eine der bekanntesten Kampagnen.
  • Adidas schickt seine Fußballstars um Özil, Messi und Co. in den Kampf um alles oder nichts. („The Dream: all in or nothing“) Unsere deutschen Spieler können wir in einem martialisch anmutenden Spot zum Thema Fußballausrüstung („Battle Pack – we are ready for battle“) für den großen Kampf bestaunen, schauen Sie hier:

  • Bitburger vereint die Nationalelf zum geselligen Trinken von alkoholfreiem Bier, was sich in Deutschland im Aufwind befindet. („Bitte ein Bit“)
  • Beats By Dr. Dre zeigen wie der brasilianische Hoffnungsträger der WM, Neymar, sowie andere populäre Spieler wie Bastian Schweinsteiger, Luis Suárez oder Mario Götze mit dem Druck einer ganzen Nation auf ihren Schultern umgehen und sich fokussieren: mit DEN Kopfhörern im Segment des akustischen Klanggenusses („The Game Before The Game“)
  • Volkswagen hat Fußballgröße Pele engagiert um ganz in staatsmännischer Manier die brasilianische Bitte zu formulieren, dass die Deutschen doch bitte bei der WM etwas schlechter spielen soll, damit Brasilien es leichter hat. In der Tat witzig („Weihnachtsansprache Pele“). Zudem findet sich – wieder einmal – Neymar in einem Werbespot. Dieses Mal zusammen mit unserem Thomas Müller in dem witzigen Spot für die „CUP Sondermodelle“:
  • Emirates versucht es ebenso mit Pele und nimmt sich noch Cristiano Ronaldo dazu („All-Time Greats“)
  • Panasonic möchte seine 4K-Technologie an den Mann oder die Frau bringen. Umgesetzt wird das wieder einmal mit dem Fußballstar Neymar („Neymar Jr.’s eyes“)
  • Mercedes-Benz ist „Bereit wie nie“ und promotet mit der deutschen Nationalmannschaft seine neue C-Klasse
  • Media Markt tanzt Samba mit Dante im „Samba-Markt“
  • Weber-Grill versucht mit der Verpflichtung von Thomas Müller Sympathiewerte einzustreichen („Heimspiel“)
  • Gillette bedient sich ebenso bei der Marke Thomas Müller („Fusion Pro Glide“)

Erkenntnis 2: Je bekannter ein Testimonial, desto schlechter (für die korrekte Markenverknüpfung)

Manche Promis sind so bekannt, dass sie die werbende Marke überstrahlen.

Da war neulich dieser Spot mit Heidi Klum auf der Schaukel… […] Aber für wen die eigentlich geworben hat, weiß ich nicht mehr…“

So oder ähnlich laufen häufig Konversationen über Testimonialwerbung ab. Warum? Weil das Testimonial zu bekannt oder in seiner Persönlichkeit bzw. Aura zu stark wirkt – es überstrahlt die beworbene Marke. In der Werbewirkungsforschung habe ich dieses Phänomen immer wieder beobachten können. Bei näherer Betrachtung erscheint das auch logisch. Denn wenn es bereits wie in Hollywood passiert, das Kinofilme nicht des Filmes wegen gedreht werden, sondern zielgerichtet auf Schauspieler zugeschnitten, wie z. B. „After Earth“ mit Will Smith und seinem Sohn, dann kann die werbende Marke potenziell nur verlieren. (Der Film war gefloppt.)

Analog bei der WM. Wenn Promis wie bspw. der Brasilianer Neymar zu stark strahlen, geht die Marke tendenziell unter. Deshalb empfiehlt es sich, nicht die bekanntesten und teuersten Testimonials zu engagieren, welche auch noch für viele Marken werben. Sondern eher diejenigen welche in der Werbelandschaft noch unverbraucht und in der Zielgruppe eine ausreichende, aber nicht überbordende Bekanntheit aufweisen.

Erkenntnis 3: Je besser das Testimonial zur Markenbotschaft passt, desto stärker die Überzeugungsleistung

Samsung schießt meines Erachtens mit seiner Kampagne #Galaxy11 den WM-Kampagnen-Vogel im positiven Sinne ab. Die Idee: Aliens drohen die Erde zu übernehmen – und nur der Gewinn eines Fußballspiels zwischen Menschen und Aliens kann uns retten. Zu diesem Zweck werden alle großen Fußballstars für die Rettung unseres Planeten zusammengetrommelt.

Für mich die inhaltlich beste Kampagne, da…

  • sie eine einfache Story erzählt,
  • welche auf Technologie und Innovation einzahlt (Samsung’s Markenkern)
  • und in der digitalen Welt hervorragend gespielt (mehrere coole Videos)
  • sowie auch gemocht bzw. geklickt wird (insgesamt mehr als 80 Millionen Klicks auf YouTube)

Da ist es aus meiner Sicht egal wie viele Stars verpflichtet werden. Denn der Fokus liegt nicht auf den Stars, sondern auf ihr technologieunterstütztes Zusammenspiel zur Rettung der Menschheit. Dabei ist die Marke Samsung mit all seinen Technologien wie bspw. Smartwatch integriert – und pusht mit eben jener Technologie das menschliche Team. Ohne Samsung wäre ein Sieg wohl nicht möglich. Ich bin gespannt wie das Spiel ausgehen wird. Der Anfang („The Beginning“) und der erste Teil des Spiels um die Erde (“The Match Part 1“) sind bereits online verfügbar. Hier geht’s zum Training:

Und wenn der eingekaufte Star bei der WM 2014 gar nicht dabei ist?

Die Wahl des Testimonials stellt also eine strategisch wichtige und deshalb schwierige Entscheidung für das Marketing dar. Zumal das Markenimage vom Image des Testimonials abhängt bzw. von dessen Bekanntheitseffekt beeinflusst wird. So kann ich mir vorstellen, dass es für Panasonic nicht optimal ist, dass der potenzielle deutsche Shootingstar der WM – Marco Reus – für die Kampagne verpflichtet wurde, doch verletzungsbedingt bei der WM gar nicht dabei ist

Werbestar Marco Reus spielt bei der WM 2014 verletzungsbedingt gar nicht mit.
Werbestar Marco Reus spielt bei der WM 2014 verletzungsbedingt gar nicht mit.

Was hilft bei der Entscheidungsfindung für oder gegen ein (Sport-)Testimonial?

Zum Beispiel Testimonial-Monitore von Marktforschern wie Ipsos oder Celebrity Performance. Auch gibt es spezialisierte Agenturen welche Profile erstellen, und mit SWOT-Analysen den Unternehmen aufzeigen, ob sich langfristige Investitionen in ein Testimonial lohnen oder nicht. Denn so etwas kann teuer werden. Lindt & Sprüngli zahlt für den Tennisspieler Roger Federer ca. 5 Millionen Euro Honorar. Der Sportartikelhersteller Nike zahlt sogar unglaubliche 90 Millionen Euro jährlich für das Engagement von Roger Federer. Nun, ob sich das lohnt wissen nur die Unternehmen selbst. Bei diesen Investitionsummen wäre es ihnen zu wünschen, dass sie ihre Entscheidungs-Risiken mit der Erhebung von Marktforschungsdaten erheblich geschmälert haben.

Fazit

Testimonials stellen also auf keinen Fall einen Garant für positive Werbewirkung dar. Was wir bei der WM-Werbung meines Erachtens nicht optimal umgesetzt sehen ist die exklusive Nutzung des Testimonials für die Marke. Die Streuverluste hinsichtlich Markenverknüpfung werden bei Spielern wie Neymar Jr., Ronaldo oder auch Thomas Müller sicherlich hoch sein. Hier hilft eine hohe Passung zwischen den Persönlichkeiten der Werbefigur sowie der Marke in Verbindung mit einer guten Story. Denn wenn die Story der Marke korrekt verstanden wird, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit der Werbeerinnerung – was wiederum positiven Einfluss auf das Kaufverhalten nach sich ziehen kann.

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