So verwässern Emotionen erfolgreich Marken

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Man reihe mehrere emotionale aber zusammenhangslose Bilder aneinander, packe unauffällige Schauspieler hinein, zeige alltägliche Szenen und lege optional einen Charthit auf die Tonspur – fertig ist der Allerweltswerbespot. So oder so ähnlich lautet die Rezeptur vieler Marken um sich selbst emotional aufzuladen. Doch was passiert, wenn als Resultat mehr als jede zweite Werbung gleich aussieht?

Nichts bis wenig; überemotionalisierte von Vignetten durchzogene Werbung wird kaum erinnert. Ich sehe die nackten Zahlen in der Marktforschung täglich. Es werden Millionenbeträge in hyperprofessionelle Videoproduktionen investiert, die beim Konsumenten oft einfach verpuffen und somit nicht oder kaum dazu beitragen, Kauf anzuregen oder Markenimage zu entwickeln.
Warum ist das so?

Problem: Generische Bilder senken die Differenzierungskraft der Marke – die Austauschbarkeit ist hoch. Erst recht, wenn viele Werbungen solche Bilder enthalten. Konsumenten haben es schwerer die Werbung sowie vor allem die beworbene Marke, ja teilweise sogar die beworbene Kategorie, zu erinnern. Die Emotionen, welche hervorgerufen und entsprechend mit der Marke verknüpft werden sollen, verkümmern, weil sich die meisten Konsumenten nicht die Mühe machen den Sinn zu verstehen – sie nehmen Werbung in einer Low Involvement Situation wahr. Von meiner Arbeit in der Werbewirkungsforschung weiß ich, dass ca. 50% aller Werbungen an der korrekten Markenanknüpfung scheitern. Jede zweite Werbung bewirbt also entweder die Konkurrenz oder schlichtweg nichts!
Wie sollte also Werbung sein, um Emotionen wirksam für eine Marke zu transportieren?

Klar ist, dass Emotionen Menschen bewegen. Maya Angelou brachte den Nutzen der emotionalen Ansprache auf den Punkt:

„I’ve learned that people will forget what you said,
people will forget what you did,
but people will never forget how you made them feel.”

Die Neurowissenschaften wissen es längst: unser Gehirn merkt sich Dinge, Menschen und Geschichten einfach besser, wenn sie uns berühren. Emotionen aktivieren unsere biologischen Prozesse und ermöglichen es, dass wir Informationen schneller verarbeiten und besser erinnern. Darüber hinaus helfen Emotionen zu überzeugen. Deshalb hat die Bild-Zeitung die höchste Auflage in Deutschland, deshalb gewinnen bei RTL-Castingshows Menschen mit schweren Schicksalen.

Ich beschäftige mich seit Jahren mit Neurowissenschaften und finde sie extrem hilfreich wenn es um die Analyse von Werbe- und Markenwahrnehmung geht. Im Bestseller-Buch „Thinking, Fast and Slow“ (falls Sie an der Systematik von kognitiven Verzerrungen und Urteilsheuristiken interessiert sind, kann ich Ihnen dieses Buch wärmstens empfehlen), hat der Psychologe und Wirtschafts-Nobelpreisträger Daniel Kahnemann aus neurowissenschaftlicher Sicht hervorgebracht, dass Emotionen in unserem Unterbewusstsein (System 1) verarbeitet und bewertet werden. Wir merken also oft gar nicht, wenn sich unsere Neuronen auf die Reise durch unser Gehirn begeben, dass sich unsere Atmung beschleunigt, dass wir anfangen zu transpirieren, dass sich womöglich unsere Hände bewegen und wir auch über unser Gesicht unsere Körpersprache zum Ausdruck bringen. Wenn unsere bewusste Aufmerksamkeit (System 2) etwas spürt, haben die Emotionen längst gewirkt. Emotionen können sich also nicht nur schön anfühlen, sie bringen uns dazu, uns innerlich sowie äußerlich zu etwas hin oder zu etwas weg zu bewegen.

Übertragen auf Werbung und Marken bedeutet dies, dass selbige um stärker aufzufallen und erinnert zu werden, die richtigen Emotionen in unserem Unterbewusstsein auslösen sollten. Vor allem in der heutigen, überladenen Informations- und Markenwelt stellen Emotionen folglich einen zentralen Aspekt für die Leistungsfähigkeit von Werbung dar.

So weit so gut. Nun liegt die Ableitung nahe, dass Werbung so emotional wie möglich auftreten sollte um ihre Wirkung zu maximieren. So geschehen vor allem in den letzten 4-8 Jahren bei unzähligen Marken. Wohin man schaut sieht man die anfangs beschriebene Rezeptur welche den Fokus darauf legt, möglichst viele emotionale Bilder aneinanderzureihen. Doch wie das eben mit Trends ist, irgendwann sind sie durch. Es interessiert niemanden mehr oder, noch schlimmer und wahrscheinlicher, Konsumenten stumpfen ab weil die gezeigte Emotion nichts Besonderes oder nicht mehr glaubhaft ist. Warum nur wollen Unternehmen gleichzeitig Jung und Alt ansprechen, gleichzeitig traditionell und modern daherkommen, gleichzeitig regional und international agieren und überhaupt als außerordentlich umweltbewusst, mitdenkend und innovativ wahrgenommen werden? Ich persönlich, und ich bin mir sicher, dass ich nicht der einzige bin, kann da nicht immer folgen – und finde in meinem Kopf eine zunehmende Anzahl von Schnipseln zu fragmentierten Emo-Welten ohne jeglichen Markenbezug. Herzlich Willkommen in der abwärts gerichteten Marken-Austauschbarkeitsspirale.

Ohne Bezug zu folgenden Werbungen zu haben, nachfolgend eine kleine Auswahl an solchen meiner Meinung nach generischen Emo-Werbespots:

Audi:

R+V Versicherung:

Microsoft:

Warsteiner:

In den USA hat sich sogar jemand die Mühe gemacht um diesen Aufstieg der austauschbaren Überemotionalisierung treffend in “This is a generic brand video” auf’s Korn zu nehmen. Das fasst es gut zusammen:

Falls Marken sich also über einen Image-Spot ändern oder betonen wollen, ist eine emotionale Ansprache durchaus von Vorteil. Doch das “Wie” ist entscheidend. Um sicher zu gehen, dass die Werbung auch wirklich die Emotionen an den richtigen Stellen hervorruft empfiehlt sich ein Pretest. Die beste ergänzende Methode der Wahl heißt “Facial Coding”. Sie misst über Webcam die unterbewusste Reaktion der Konsumenten (System 1) in jeder Sekunde der Werbung. Der gesehene Stimulus läuft also nicht durch unseren Wahrnehmungsfilter im Gehirn und wird nicht post-rationalisiert – die Emotion wird direkt und ohne Umwege gemessen. Facial Coding kostet im Vergleich zum vorgesehenen Mediabudget nur einen winzigen Bruchteil – hilft jedoch von Anfang an die Weichen auf Wirkung zu stellen, was hintenraus massiv Geld spart und somit effektiv Risiken abbaut.
Summa summarum empfiehlt sich eine emotionale Bildsprache zu wählen, welche die Problemlösung für den Konsumenten in den Vordergrund stellt – erzielt durch die wahrnehmbar (visuell) differenzierende Kernkompetenz einer Marke.

 

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